Bitte warten – oder warum wir eine Mindestgebühr verrechnen

Auch eine kurze Übersetzung kann viel Arbeit machen
Auch eine kurze Übersetzung kann viel Arbeit machen

Der Umfang unserer Übersetzungen variiert oft stark: der größte bei uns eingegangene Auftrag war eine Bedienungsanleitung mit über 1000 Seiten. Die kürzeste Bestellung war eine Glückwunschkarte mit drei Wörtern.

Bei knappen Texten fehlt uns manchmal das „Big Picture“

Interessanterweise ist oft bei den Kleinstaufträgen der Arbeitsaufwand im Verhältnis zum Volumen besonders groß. Der Grund liegt für jeden, der beruflich mit Texten zu tun hat, auf der Hand: bei einer sehr knappen Darstellung fehlt der Kontext. Wenn dieser für das Verständnis des Ausgangstextes relevant ist, müssen wir ihn dann durch Rückfragen herausfinden.

Wir müssen uns immer in die bestehende Terminologie einlesen

Ein schönes Beispiel war ein bei uns eingelangtes Update zu einer Werkstätten-Software. Umfang: ganze 13 Wörter. Die Übersetzung ist also in ein paar Minuten aus dem Ärmel geschüttelt, oder? Weit gefehlt! Denn zuerst galt es, sich mit der umfangreichen Terminologiedatenbank des Herstellers auseinanderzusetzen. Denn schließlich sollen die neuen Übersetzungen mit den bisherigen übereinstimmen. Und auch bei an sich unkomplizierten Sätzen war immer ein zusätzlicher Recherchevorgang notwendig: wie war das Wort „Fahrzeug“ doch früher übersetzt worden, direkt so oder doch als „Auto“…?

Die zu übersetzenden Wörter waren als eine InDesign-Datei geschickt worden. Der nächste Schritt war daher, in unserem Übersetzungstool MemoQ ein InDesign-Projekt zu erstellen, die Excel-Tabelle zu importieren und das kundenspezifische Translation Memory (also eine Art Datenbank, die frühere Übersetzungen für diesen Kunden enthalten) zu aktivieren. Mit dessen Hilfe übersetzten wir zwölf Wörter.

Und dann kam der letzte Satz, bei dem wir nicht mehr weiterwussten: Warten. Also nur dieses kleine Wort Warten, ohne irgendwelche andere Erklärungen, nicht einmal ein Satzzeichen war dabei. Nun, im technischen Zusammenhang hängt Warten oft mit Wartung zusammen, also mit Service. Aber ist es hier auch so? Es könnte ja genauso gut vom Tätigkeitswort warten kommen. Und wie soll man es in dem Fall verstehen: als Befehlsform („Bitte warten, Ihre Daten werden gespeichert…“) oder als nominalisiertes Verb („Was ist Ihnen lieber, elektronisch abgeben oder vor Ort warten?“)? In jedem der Fälle kommt eine andere Übersetzung in Frage, und die übrigen Übersetzungen passen dann auf keinen Fall. Also bleibt da nichts anderes übrig als beim Kunden nachzufragen. Damit die Fragen strukturell bearbeitet werden können, wird die Frage auf Kundenwunsch in Form einer Excel-Liste geschickt. Der Kunde kann mir dann prompt bestätigen: die dritte Bedeutung ist die richtige.

Zum Zeitpunkt, als ich das Übersetzungspaket an den Kunden zurückgeschickt habe, hat dieser Auftrag ziemlich genau eine Stunde in Anspruch genommen. Vielleicht verstehen Sie jetzt auch, warum wir bei sehr kleinen Aufträgen eine Mindestpauschale verrechnen: mit Kleinsttexten ist oft eben ein unverhältnismäßiger Zeitaufwand verbunden. Die Handhabung von Mindestaufträgen ist übrigens ein gutes Mittel, um zu testen, wie professionell ein für Sie neues Übersetzungsbüro agiert.