Dolmetscharten
Die Unterscheidungskriterien für die Dolmetscharten lauten:
1) Erfolgt die Dolmetschung (fast) zeitgleich oder zeitversetzt?
2) Erfolgt die Dolmetschung mit oder ohne technische Hilfsmittel?
Simultandolmetschen
ist in der Praxis gleichbedeutend mit Konferenzdolmetschen. In dieser Dolmetschart hören die Dolmetscherinnen und Dolmetscher den mündlichen Beitrag (Rede, Vortrag, Diskussion etc.) über einen Kopfhörer in einer schallisolierten Kabine und dolmetschen zeitgleich über ein Mikrofon in die gewünschte Zielsprache. Dieser Vorgang ist komplex und erfordert höchste Konzentration. Daher müssen die Simultandolmetscherinnen und -dolmetscher alle 20–30 Minuten eine Pause machen; aus diesem Grund sind immer mindestens zwei Dolmetschende gleichzeitig anwesend.
Vorteile | Nachteile |
kein Zeitverlust | technische Ausrüstung erforderlich |
mehrere Sprachen gleichzeitig möglich | ortsgebunden |
unbegrenzte Anzahl der Zuhörenden | höherer personeller Aufwand |
Konsekutivdolmetschen
Beim Konsekutivdolmetschen wird ein Redebeitrag nach 1 bis 4 Minuten in die Zielsprache übertragen. Da der Zeitaufwand in diesem Fall erhöht ist, eignet sich Konsekutivdolmetschen eher für kleine Arbeitsgruppen, Verhandlungen oder Ansprachen. Weitere Einsatzfelder sind Situationen, wo keine technischen Hilfsmitteln vorhanden sind (z. B. bei Gericht oder Behörden).
Vorteile | Nachteile |
keine technische Ausrüstung erforderlich | erhöhter Zeitaufwand |
unbegrenzte Anzahl der Zuhörenden | nur sinnvoll bei zweisprachigen Veranstaltungen |
ortsungebunden |
Flüsterdolmetschen
Das Flüsterdolmetschen verbindet Eigenschaften der beiden vorherigen Dolmetscharten: Die Redebeiträge werden zwar wie beim Simultandolmetschen gedolmetscht, aber mit leiser Stimme und ohne technische Hilfsmittel für höchstens zwei Personen. Da Flüsterdolmetschen den Geräuschpegel im Saal erhöht und für DolmetscherInnen und ZuhörerInnen gleichermaßen anstrengend ist, eignet sich diese Dolmetschart nur für spezielle Situationen (zum Beispiel wenn in einer Gruppe nur eine Person eine Dolmetschung benötigt).
Vorteile | Nachteile |
keine technische Ausrüstung erforderlich | sinnvoll nur in eine Sprachrichtung |
ortsungebunden | störend für die anderen Anwesenden |
nur für 1–2 Zuhörende |
Dolmetschplattformen: Dolmetschen mit neuen Medien
Ob zeitgleich oder zeitversetzt: das traditionelle Dolmetschsetting ist mit einer persönlichen Anwesenheit der Dolmetscherin verbunden. Die Nachfrage nach ortsunabhängigen Dolmetschlösungen ist aber in den letzten Jahren stetig gewachsen, nicht nur wegen behördlicher Mobilitätsbeschränkungen, sondern auch aus Klimaschutz- und Kostengründen oder einfach wegen Ressourcenknappheit (in manchen Sprachen sind professionelle Dolmetscher und Dolmetscherinnen hochgefragte SpezialistInnen mit vollem Terminkalender).
Unter dem Sammelbegriff „Dolmetschen mit neuen Medien“ versteht man die Nutzung von Dolmetschdiensten über technische Medien, vor allem über digitale Medien. Das mit einem traditionellen Medium praktizierte Telefondolmetschen zählt zwar auch dazu, aber diese Übertragungsart leidet darunter, dass hier die für die Botschaft relevante Mimik und Gestik fehlen. Deshalb bevorzugen die meisten Dolmetschkunden heutzutage das Videodolmetschen, bei dem alle Teilnehmenden sich sehen können.
Durch die sprunghaft gestiegenen Rechnerkapazitäten und Breitband-Internetverbindungen ist es heutzutage problemlos möglich, auch simultane Dolmetschungen zuzuschalten. Als Dolmetschmedium eignen sich alle herkömmlichen Online-Meeting Plattformen. Ein Unternehmen oder eine Organisation kann daher einfach nur die Dolmetscherin in die eingesetzte Plattform einladen, und die Besprechung mit Dolmetschung erfolgt in einer bereits vertrauten virtuellen Umgebung.
Dolmetschen mit Hilfe von Softwaretools
Der Begriff computergestütztes Dolmetschen (Computer-Aided Interpretation, CAI) ist analog zu computer-gestütztem Übersetzen (CAT) gebildet. Gemeint sind unterschiedliche Softwarelösungen, die Dolmetscher bei der Vorbereitung auf den Dolmetscheinsatz und währenddessen unterstützen können. Da beim Dolmetschen die Zeit sehr knapp ist, spielen hier Spracherkennungsfunktionen eine große Rolle. Hier kommen zweierlei Anwendungen zu Hilfe: erstens kann eine Dolmetscherin durch die Spracherkennung einen Begriff wesentlich schneller als durch die manuelle Eingabe suchen, was vor allem bei Fachkonferenzen mit Spezialterminologie wichtig ist. Zweitens kann eine Spracherkennungssoftware einen Redebeitrag in schriftliche Form übertragen. Dies bringt ganz besonders bei Zahlen, Namen und wichtiger Terminologie deutliche Qualitätssteigerungen, was zuletzt durch eine Untersuchung an der Universität Wien bestätigt wurde.