Mehrwert einer menschlichen Premium-Übersetzung

Es gibt kaum einen Markt, auf dem die Bandbreite der zu verrechnenden Preise dermaßen variiert wie bei den Übersetzungen. Allerdings handelt es sich nur auf dem ersten Blick um dasselbe Produkt, wenn das Übersetzungsbüro A für einen Text den Preis 100 Euro, das Übersetzungsbüro B 200 Euro und das Übersetzungsbüro C 300 Euro nennt. Denn in Wirklichkeit agieren diese Anbieter auf unterschiedlichen Segmenten. Im englischsprachigen Raum unterscheidet man auf dem Übersetzungsmarkt die Preis- und Qualitätssegmente Bulk Localization, Value-Added und Premium.

Die Mehrzahl der geschäftlichen Kommunikation findet auf dem Bulk Localization-Markt statt. Das Ziel ist, Inhalte möglichst kosteneffizient in verschiedenen Sprachen zur Verfügung zu stellen. Die Übersetzungsprojekte werden meist nach dem Motto „hohe Volumina in ausreichend guter Qualität“ abgewickelt.

Beim Value-Added-Markt geht es um die effiziente Handhabung von komplexeren Ausgangsdaten, die mehr technologisches, fachliches oder kulturelles Wissen verlangen. Typische Übersetzungsprojekte, die auf dem Value-Added-Markt erfolgen, sind die Übersetzung von Werbetexten und Multimediaprojekten.

Beim Premium-Markt der Übersetzungen schließlich steht an der ersten Stelle die Interaktion mit dem Kunden und der Feinschliff der Texte. Anbieter von Premium-Übersetzungen verfügen über profunde Fachkenntnisse in jenen Bereichen, in denen sie übersetzen. Sie übersetzen auch nicht „alle Sprachen und alle Fachgebiete“, sondern konzentrieren sich auf wenige Kernbereiche. Erfolgreiche Kommunikation ist wichtiger als bloß sicherzustellen, dass alle Wörter übersetzt sind.

Chris Durban, eine Koryphäe auf dem Premium-Markt, illustriert in ihrer Gegenüberstellung sehr schön den Unterschied zwischen einer Bulk-Übersetzung einerseits und einer Premium-Übersetzung andererseits. Eine Premium-Übersetzung kann sich also erheblich von der Satzstruktur des Originaltextes unterscheiden, ist aber deutlich besser an das Zielpublikum adaptiert.

Illustration von Unterschieden zwischen einer Bulk-Übersetzung und einer Premium-Übersetzung

Quelle: The Premium Translation Market: Hiding In Plain Sight

Hier sieht man auch gut, dass es für Anbieter von Bulk-Übersetzungen zunehmend schwieriger wird, ihre Position gegenüber maschineller Übersetzung zu rechtfertigen. Denn professionelle maschinelle Übersetzer wie DeepL sind bereits jetzt in der Lage, „ausreichend gute“ Qualität zu produzieren, indem sie einfach ausgangssprachliche Wörter durch zielsprachige unter Beachtung der Grammatikregeln ersetzen. Dagegen ist DeepL noch sehr weit davon entfernt, eigenständig zu denken und eine zielgruppenadäquate Kommunikation zu gewährleisten.

Was die Gegenüberstellung auch zeigt ist, dass eine Premium-Übersetzung einen deutlichen Mehraufwand erfordert als eine herkömmliche Wort-für-Wort-Übersetzung. Dieser Mehraufwand ist erforderlich bei kritischen Texten wie bei Jahresberichten oder Pressemitteilungen. Manchmal ist eine deutliche Überarbeitung weder notwendig noch erwünscht. Wenn in einer Printausgabe mehrere Sprachen nebeneinander stehen, sollen die Sprachversionen auch insgesamt einen harmonischen Gesamteindruck machen. Premium-Übersetzungen finden sich daher vorrangig bei Textsorten, die für eine klar definierte Zielgruppe bestimmt sind oder sehr prominent publiziert werden.

Zum Schluss noch ein Beispiel aus der Praxis zur Illustration der Unterschiede zwischen Bulk-Markt und Premium-Markt: Ein finnisches Unternehmen kündigt in seinem jährlichen Schreiben an seine Bestandskunden an, dass sie ihre Produktion aus dem Ausland nach Finnland verlegen. Dies bringt mehrere neue Arbeitsplätze ins Land und macht es zum einzigen Unternehmen, das 100 % in Finnland produziert. Nun ist dies sicherlich etwas Erfreuliches in Finnland, aber im Ausland ist es eine zwiespältige Botschaft. In dem Land, das die Produktionsstätte verliert, kommt die Meldung einer Hiobsbotschaft gleich. Ein Premium-Anbieter von Übersetzungen achtet darauf, dass hier großes Fingerspitzengefühl an den Tag gelegt wird, um die Nachricht in einer angemessenen Form in die Zielsprache zu adaptieren. Eine gezielte Abstimmung mit dem PR-Leiter, CMO oder CEO des Unternehmens bei der Übersetzung bewahrt das Unternehmen vor Imageschäden und negativen Reaktionen seiner Interessensgruppen.